Ich notiere letzte Gedanken für den Kurs am nächsten Tag: Keine Maskottchen, keine Schulmädchen, kein Harakiri.
Das Handy klingelt. Präfekt Tanaka lädt mich zum Lunch in den Tempel ein, eine Überraschung, vielleicht hat er Wind von meinem Treffen mit dem Tenno bekommen und will sein Gesicht nicht verlieren.
Tanaka ist ein kultivierter Mann und pflegt einen luxuriösen Lebensstil. Man spricht von einem sagenhaften Vermögen. In Monaco liegt seine riesige Yacht, die „Mogambo“ vor Anker. Das Schiff hat er günstig von einem afrikanischen Potentaten erworben, der beim Volk in Ungnade fiel und der nun in Saudi-Arabien sein Luxus-Exil genießt, allerdings ohne die „Mogambo“, ohne seinen Harem mit 140 Frauen und ohne die zwei Tonnen Diamanten, die er seinem Land geraubt hat, dafür ist ihm sein Kopf geblieben, Glück gehabt.
Die Yacht ist 160 Meter lang, verfügt über mehrere Liegewiesen, Whirlpools und natürlich über einen Hubschrauberlandeplatz, sie bietet Platz für 100 Gäste, es darf gefeiert werden.
In den Medien taucht Tanakas Name immer wieder im Zusammenhang mit den Yakuza auf. An dem Teflon-Politiker perlen diese Gerüchte jedoch wie der Morgentau auf einem Lotusblatt bei Sonnenaufgang ab.
Ich rasiere mich vor einem Spiegel mit zehnfacher Vergrößerung. Der Effekt ist beängstigend. Gesichtshaare verwandeln sich in einen mächtigen Urwald, kleine Pickel werden zu Vulkanen aus denen lautlos graue Asche steigt, rote Flecken sehen aus wie kochende Lava-Seen, Falten sind tiefe, schattenwerfende, trostlose Schluchten. Altersflecken mutieren zu dunklen, toten Meeren. Das Gelände wird schnell eingeschäumt und durchpflügt, bis alles glatt ist. Erleichtert wende ich mich vom traurigen Schauspiel ab.
Der blaue Anzug aus Italien ist von der Reise gezeichnet, ich bürste ihn sorgfältig und ziehe dabei die Knitterfalten, so gut es geht, glatt. Auch das helle Canali-Hemd hat gelitten, hastig bügle ich das gröbste weg. Die blau-weiße Niki Milano Krawatte wird mit einem einfachen Knoten umgebunden, das wirkt lässig. Wie der Laufbursche des Tennos sehe ich nicht aus, beruhigend! Ich muss kurz lachen, als ich mich an meine Jugend erinnere und an das, was ich damals trug, die Zeiten ändern sich. Zuletzt setze ich den Panama mit breiter Krempe auf den Kopf und klemme mir die Ray-Ban Wayfarer hinter die Ohren.
Auf der Strasse steigt plötzlich ein Schwarm kohlschwarzer Schwalben über uns auf und tanzt ein Ballett in den Himmel. Eine kleine Menschenmenge beobachtet gebannt das Spektakel. Die riesige Schwalben-Kunstflugstaffel jagt Häuserwände hoch und wieder runter, ändert unvermittelt die Richtung, steigt senkrecht in die Höhe um sich sogleich mit atemberaubender Geschwindigkeit in die Tiefe zu stürzen, ganz nah an uns vorbei, man spürt den Luftzug im Gesicht. Kurz vor dem Aufprall auf den Boden wird ein Looping gedreht, dann fliegt das Geschwader, wie auf Kommando, pfeilschnell die Straße entlang und verschwindet in der Ferne. Es gibt Applaus und die Menschen gehen lachend auseinander. Schwerkraft ist relativ.
Lesen Sie in der nächsten Folge: Empfang bei Tanaka, eine Autofahrt.
Was möchte uns der Autor mit diesen Zeilen sagen? Und warum ist es schon wieder so spät?
Ein Fortsetzungsroman, da möchte man doch nicht gleich sein Pulver verschießen…
Ich war – wie so oft – zu ungeduldig, bitte verzeih‘. Der Roman nimmt mittlerweile Form an, liest sich schön 🙂
Ich frage mich ja, in welche dadaistisch anmutenden Welten der Autor uns nächste Woche entführt. Wird es eine Fahrradtour? Eine Apres-Ski-Party in St. Anton? Oder trifft er Jarry höchstpersönlich? Man darf gespannt sein
Nichts von alledem lieber Moritz, abwarten und Tee oder Bier trinken.