oder Two-Face, Saulus und Paulus usw., ich könnte berühmte Beispiele der Verwandlung vom Guten zum Bösen endlos fortsetzen, aber Sie wissen nun worauf ich hinaus möchte, liebe Leser.
ein persönlicher Bericht über das Grenke Chess Open 2018 von Jürgen Lutz
Tatsächlich habe ich den inneren Twist bereits lange vorher, ehe die Grenke Chess Open 2018 in Karlsruhe beginnen.
Spiele ich das A-Open oder das B-Open? Ich befinde mich nämlich in der (un-) komfortablen Lage, dass ich für beide Turniere spielberechtigt bin. Ich wäge also ab.
Im B-Open werde ich sehr hoch gesetzt sein, es locken Geldpreise bis Platz 7, der Gewinner erhält gar 1500 Euro. Für Spieler bis 2000 Elo/DWZ ist das durchaus ein lukratives Argument.
Andererseits ist in meinem Fall das Risiko sehr hoch, dass man selbige DWZ/Elo sehr schnell crashen kann, wenn das Turnier nicht so läuft, wie man es eigentlich vor hat.
Im A-Open werde ich hingegen weit hinten gesetzt sein und kann vermutlich mit 2,5 aus 9 nach Hause gehen und meiner DWZ/Elo ist nichts negatives passiert. Allerdings muss man hier Nehmerqualitäten zeigen, da es vermutlich die ein- oder andere fürchterliche Klatsche setzen wird. Dieses einmal mehr aufstehen wie hinfallen ist nicht jedermanns Sache.
Der Kapitalismus behält die Oberhand, ich melde mich 3 Wochen vor Beginn des Turniers im B-Open an.
Donnerstag, 29.03.18, ca. 19:00 Uhr -> 1.Runde
Der Spielpan des B-Open zeigt an, dass sage und schreibe 530 Teilnehmer an den Start gehen. Dies bedeutet eine quantitative Steigerung von 25 % zum Vorjahr.
Gemäß der Setzliste finde ich mich an Brett 19. Mein Gegner ist ca. 300 DWZ/Elo niedriger bewertet als meinerseits.
Nach ca. 2 ½ Stunden und zwei Kaffee und drei Toilettengängen später, bietet mir mein junger Gegner das zweite Mal Remis an, welches ich nicht ablehnen kann und annehme. Es könnte der Eindruck entstehen, dass irgendetwas schiefgelaufen ist. Ist es auch, Details erspare ich Ihnen. Nur soviel, es ist anscheinend meiner hohen Wertungszahl zu verdanken, dass mein Gegner nicht den Mut hatte, mir den ganzen Punkt abzunehmen.
Freitag, 30.03.18, 09:00 Uhr -> 2. Runde
Ich latsche in die weiter entfernte Gartenhalle, genauer gesagt an Brett 109. Nur die ersten 42 Bretter des B-Open kommen in den Genuss in der Schwarzwaldhalle spielen zu dürfen, wo ab Morgen Carlsen und Co. Schachfans vor Ort und der ganzen Welt ( via Livestream ) begeistern werden.
Meine Gegnerin ist ein 12-jähriges Mädchen aus Frankreich und entstammt einer Schachfamilie (die ältere Schwester spielt ebenfalls im B-Open mit, der Bruder, Internationaler Meister, im A-Open).
Ich gewinne meine Weißpartie letztlich ohne grössere Probleme. Allerdings prognostiziere ich, sollte ich in 5 Jahren wieder einmal gegen sie gelost werden, ich dann nicht mehr viel zu Lachen habe. Sie hat großes Potenzial.
Freitag, 30.03.18, 15:00 Uhr -> 3. Runde
Brett 42 mit Schwarz, also gerade so wieder in die Schwarzwaldhalle gelost worden. Mein Gegner und ich haben vieles gemeinsam, so z. B. die Vornamensgebung durch unsere Eltern, unser Alter, den Hang gerne mal einen schlechten Zug zu machen, wie sich recht schnell herausstellte usw. Nur in Sachen DWZ/Elo bin ich ihm ca. 150 Punkte voraus.
Kiebitze an unserem Brett werden sicherlich gedacht haben, dass hier derjenige gewinnt, welcher den vorletzten Fehler macht. Nach ca. 2 Stunden war wieder mein Gegner, mit einem Fehler, an der Reihe. Die Stellung ist dadurch auf Sicht gewonnen, es hätte aber noch ein gutes Stück Technik, sowie Zeit benötigt, bis ich den ganzen Punkt einstreiche. Um Kraft zu sparen ( 2 Runden am Tag gehen irgendwann konditionell ganz schön zur Sache ) schaue ich nach einer taktischen Lösung, um das ganze gewaltig abzukürzen. Es scheint so, dass meine Berechnungen Früchte tragen und die Partie ganz schnell vorbei sein wird. Ist sie auch, ich habe verloren.
Meine Kalkulationen hatten leider am Ende ein Loch und ich wurde ziemlich humorlos matt gesetzt. Der letzte Fehler der Partie gehört somit leider mir.
Was macht man nach so einem Tiefschlag? Richtig, man geht mit seinen Schachkumpels ins Vogelbräu und lässt mit dem dort hauseigen gebrauten Bier seinen Frust ertrinken! Spät am Abend gesellt sich sogar noch GM Rainer Buhmann an unseren Biertisch. Bei ihm ist es allerdings mehr ein Feierbier, er besiegte gerade GM Farago und hat 3/3 im A-Open.
Spät in der Nacht überwiegen in meinem Inneren immer noch Frust und reichlich Vogelbier. Was soll ich jetzt mit dem Turnier noch anfangen? Bescheidene 1 ½ aus 3, jeweils gegen schwächere Gegner im Rating. Ich kasteie mich selber, in dem ich mir vorstelle, dass vermutlich Morgen mein Tisch vor den Toiletten steht, neben dem Schachbrett noch eine Geldschale mit 50 Cent Stücken drin.
Montag, 02.04.18, ca. 17:00 Uhr. -> Nach der 9. Runde
Gerade eben beende ich mit einem Blitzsieg und letztlich 7/9 das B-Open. Platz 13 von besagten 530 Teilnehmern, sogar noch vor meiner Setzliste ins Ziel getrudelt.
In der Nacht vom 30. auf 31.03. muss irgendeine Verwandlung vonstatten gegangen sein. Frei von Ratingzwängen, Hoffnungen auf Geldpreise und dergleichen mutierte ich zu Mr. Hyde und “fraß” mit 5,5/6 meine verbliebenen Gegner förmlich auf. Punktgleich mit den Geldpreisen, nur durch die logische, schlechtere Buchholzwertung selbige nicht bekommen.
Wobei, ganz ohne “Preis” sollte ich dann doch nicht nach Hause gehen. Nachdem ich mit meiner 9. Runde, wie bereits erwähnt, recht schnell fertig bin, treffe ich unsere beste deutsche Schachspielerin, Elisabeth Pähtz, im Foyer der Schwarzwaldhalle. Diese kam mittags aus Georgien in Karlsruhe an, wo sie gerade Europameisterin im Rapidschach geworden war.
Ich spreche sie ganz locker an und frage, ob ich ein Bild mit ihr machen kann. Wie selbstverständlich kommt sie meiner Bitte mit einem Lächeln im Gesicht nach. Ich gebe Moritz meine Kamera, der gerade mit mir durch das Foyer schlendert.
Was nun passiert ist ein Zufall, wie er glücklicher nicht sein konnte. Während Elisabeth und ich so Arm in Arm lächelnd in die Kamera schauen, bereitet diese Moritz unerwartet technische Probleme. Nach ca. 5 Minuten und einigen argwöhnischen Kiebitzen, was dieser Typ so lange mit Elisabeth im Arm macht, kommt das Foto doch noch zustande.
Ich kann natürlich nicht für Elisabeth sprechen, aber ich genoß jede Sekunde der Verzögerung. Sie nahm es allerdings auch mit Humor, wir lachten beide über dieses “schnelle” Foto.
Wie Moritz in seinem Bericht bereits erwähnt hat, waren wir 4 Ubuianer im B-Open und stellten somit eine Mannschaft. Wir wurden am Ende 11. von 20 Mannschaften und landeten somit im Mittelfeld. Während Peter und ich, für unsere Verhältnisse, ein normales Turnier spielten, lief es für Zacharias leider nicht so gut. Er startete mit 2,5 aus 3 sehr gut ins Open, hatte dann aber vielmals nicht das nötige Glück und holte im Enddefekt nur 50 %. Für ihn war es enttäuschend, was bei seiner Spielstärke absolut nachvollziehbar ist. Dafür spielte Rodrigo ein hervorragendes Turnier und war mit seinen 50 % sehr glücklich. Starke Leistung, Rodrigo!
11. | SC uBu Karlsruhe | 1661 | 18.5 | |||||||||
1. | Lutz, Juergen | 1953 | M | 6 | 2 | 1 | 7.0 | |||||
2. | Heck, Zacharias | 1800 | M | 3 | 3 | 3 | 4.5 | |||||
3. | Gutierrez, Rodrigo | 1597 | M | 3 | 3 | 3 | 4.5 | |||||
4. | Schneider, Peter | 1295 | M | 2 | 1 | 6 | 2.5 |
Abschließend noch ein paar Impressionen aus dem A-Open, sowie natürlich von den Grenke Chess Classics, deren Runden 1 -3 parallel zum Open stattfanden.
Und last but not least my dear friend Martin Hemmings vom SV Turm Drolshagen. Er schlug sich beachtlich im A-Open.
Die Grenke Chess Open 2018 sind nun leider schon wieder vorbei und ich freue mich bereits auf das nächstjährige Ereignis. Die Organisation ist einfach top, solch ein Schachfestival in seiner Heimatstadt miterleben zu dürfen ist einmalig. Vielen Dank an alle Beteiligten, die dieses Event ermöglichen.
Sehr gute Story, auch die Fotos sind klasse!
Sehr schöne Bericht! Der alte Trick mit der „dodgy“ kamera mach ich auch immer 😉
Der Atmossphäre war der Hammer!
Mist, Martin hat mich durchschaut.