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Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande

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Prolog

Zum Abschluss der Saison unternehmen wir eine schöne Landpartie nach Zeutern. Die hübsche Ortschaft wird bereits im Lorscher Codex um 769 / 770 erwähnt. Das örtliche Adelsgeschlecht derer von Zeutern lässt sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen.

Fröhlich rollt unser Zug durch die morgendliche, vom Sonnenschein bestäubte Landschaft.
Ich beobachte das hübsche Panorama, das eindringende Licht versetzt mich in eine schläfrige Stimmung. Draußen zieht eine leicht bewaldete Landschaft an uns vorbei, in silbriger Stille wechseln sich sanfte Hügel mit Feldern und Wiesen ab.
Ich denke an die 6.Sinfonie von Beethoven. Der Meister beschreibt in seinem Werk lautmalerisch einen Ausflug in die Natur inklusive Gewitter und Rückkehr in die Stadt.

Der berühmte Musikkritiker Joachim Kaiser schreibt darüber:
„Man kennt die Szene am Bach, bei der ich mich schon so ehrfurchtsvoll gelangweilt habe, nicht, wenn man sie von Karajan gehört hat. Unvergleichlich hold, endlich einmal atmend, sprechend, selig abgesetzt erscheint da die Gebärde, mit der die Musik nach dem oft so peinlichen Vogelstimmen-Terzett alles wieder in ihre Magie, ihre Idealität zurückholt.“

Für seine Zeit ist dieser Satz berechtigt, obwohl sich Kaiser damit für meinen Geschmack etwas zu sehr anbiedert. Ich empfehle vielmehr die Aufnahme mit Christian Thielemann und den Wiener Philharmonikern, modern und gleichzeitig romantisch, eine Durchführung im Stil der Zeit, Thielemann verzichtet auf jede aufgesetzte Sentimentalität.

Es wird gespielt

Wie üblich treten wir unvollständig gegen die Schachfreunde in Zeutern an. Im Geiste spekuliere ich darüber, welchen Weg die Mannschaft ohne diese garstigen Ausfälle gegangen wäre. Man hätte den Klassenerhalt geschafft und ein achtbares Ergebnis im Mittelfeld erzielt, die Liga war nicht unhaltbar.

Zeutern präsentiert sich mit einer sehr homogenen Mannschaft, starke Wertungszahlen vom ersten bis zum letzten Brett, mit so einer Aufstellung darf man glänzen.

Zuerst trifft es Mischa Rausch, der an Brett 2 gegen Erhard Schmidt (DWZ 1887) antreten muss. Man kennt als Schachspieler aus der einen oder anderen Begegnung diese Situation:
Eine Stellung ist ausgereizt, der Gegner steht besser, die Berechnungen sind durchgeführt, wie man es dreht und wendet, am Horizont zeichnet sich die Niederlage ab.
Schließlich verdichtet sich das Geschehen, eine Lawine rollt heran, es folgen Verzweiflungszüge, Material geht verloren, die Partie ist zu Ende. Mischa ist machtlos.

Moritz Kühner an 6 kommt gegen Marius Laber sehr schlecht aus der Eröffnung. So schlecht, dass die Stellung nicht mehr zu reparieren ist. Immer mehr gerät er ins Hintertreffen und muss sich am Ende geschlagen geben. Selbst bei allerbestem Spiel ist hier nichts mehr zu retten.

Eine fast lehrbuchartige Partie spielt Sven Maciejewski an 5 gegen Benjamin Clauß. In seiner Leibvariante liefert er eine ausgezeichnete Partie in durchaus verwickelter Stellung. Ich freue mich außerordentlich über diese Perfomance. Die Züge werden routiniert und streng nach Theorie ausgeführt. Gratulation!

Robby Bischoff verzettelt sich fürchterlich gegen Friedbert Munz an 7. Eine Partie, die man gerne wieder vergisst. Für uns zählt an dieser Stelle aber etwas viel Wichtigeres: Robby war dabei, hat gekämpft, ist am Sonntag aufgestanden, hat die Mannschaft unterstützt, vielen Dank!

Rodrigo Gutierrez gegen Patrick Holzwarth an 4. Eigentlich eine Partie, in der alles drin ist für unseren Mann. Gegner spielt im Graubereich. Zum richtigen Zeitpunkt muss ein Bauer entnommen werden, Rodrigo verpasst den entscheidenden Augenblick, muss plötzlich ganz passiv spielen. Selbst da gab es noch die eine oder andere Möglichkeit, etwas zu unternehmen, sollte aber an diesem Tag nicht sein.

Fantastische Partie von Marcus Krug gegen Kristian Kindler an 1. Zunächst startet Marcus strategisch in die Partie, lotet Schwächen aus, stellt seine Figuren klug. Die Situation spitzt sich zu, es wird ungeheuer taktisch, Rechentiefe ist gefragt. Des Gegners König wird von allen Seiten bedroht, schließlich bricht die Stellung zusammen, das Aus ist erzwungen.

Ich spiele gegen Thorsten LInn gut, opfere zwei Bauern für freie Figurenentwicklung und Druck. Bin optimistisch, verpasse aber den K.O., ein Bauernzug nach f6 hätte zumindest das Remis bedeutet, mit Überführung des Turms auf die h-Linie vielleicht sogar den Sieg, so wird’s mal wieder nix, Seuchensaison.

Epilog

Mathias

Über den Autor: Mathias Guthmann schreibt unter anderem für kulinarische Zeitschriften und den Schachsport. Seine Essays und Kurzgeschichten haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert. In der freien Wirtschaft berät der Autor eine Firma zu PR-Strategien.

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