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A Hard Day’s Work

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Folgende Zeilen von Thomas Kretschmer wurden als Kommentar zum Turnierbericht von Sven verfasst. Wir veröffentlichen ihn hier als eigenständigen Artikel.

von Thomas Kretschmer
Beitragsbild: Gata Kamsky unter Kiebitzen

Dass das Turnier groß werden würde, konnte man schon angesichts der zahlreichen Voranmeldungen und des parallel stattfindenden Classics erahnen. Tatsächlich angetreten sind 2606 Spielerinnen und Spieler (A 935, B 1177, C 494), im A-Open schillerten Namen wie Arjun Erigaisi, Gata Kamsky und auch Hans Niemann.

Meine ursprüngliche Angst, als Teilnehmer des C-Turniers in der Gartenhalle am Katzentisch zu sitzen, abgetrennt vom großen Geschehen, war auf zweifache Weise unbegründet. Ist die Gartenhalle doch unmittelbar mit der Schwarzwaldhalle verbunden, und während des Turniers von einer ähnlichen Atmosphäre erfüllt gewesen, geprägt von einem leisen Brummen (Flüstern und Gedankenkreisel), regelmäßigen Quietschgeräuschen (die Stühle) und einer Mobilität zwischen den Tischen, die man eher mit dem Flohmarkt verbindet.

Es war aber auch faszinierend, anderen zuzuschauen. Nicht nur, um zu lernen, dazu später mehr. Die zahlreichen Kinder im C-Turnier haben den hinteren Flügel der Gartenhalle noch einmal besonders belebt. Mit Gestik und Mimik wurde nicht gespart, Emotionen deutlich zur Schau gestellt. Wobei die ganze Bandbreite klar sichtbar wurde, vom Sich-gegenseitig-Belauern, missbilligendem Naserümpfen, von der schieren Verzweiflung bis zu deutlichen Triumphgesten, Dinge, die sich erwachsene Vereinsspieler meist versagen.

Durchlitten habe ich in den Tagen auch so einiges, hatte ich mir doch vor dem Turnier mehr erwartet. Donnerstag, erster Tag des Open, zur selben Zeit das Classic, die Menschen drängen sich im Foyer, vor und in den Hallen. Die Eröffnungszeremonie zieht sich, irgendwann treibt es die Menge durch die engen Gänge zu den Aushängen mit den Ansetzungen, hier darf man sich ein Gedränge auf einem Bahnsteig vorstellen. Ich habe großes Glück, in der Runde in der Schwarzwaldhalle unter den Fittigen von Magnus spielen zu können. Bin ich doch gegen die Ranglistennummer Zwei gesetzt, ein Kanadier aus Quebec und die ersten Tische der anderen Turniere stehen eben in der großen Halle (B 1-20, C 1-10). Das erste Spiel schien für meine Verhältnisse das hochklassigste gewesen zu sein (noch habe ich meine Spiele nicht analysiert), ich behielt bis zum Schluss die Initiative, trotz Figurenverlust. Überhaupt waren meine ersten Spiele ausnahmslos interessant, wenn ich auch zur Halbzeit sehr unzufrieden mit dem Ertrag sein musste. Mit dem Endresultat konnte ich dann wieder recht zufrieden sein.

Was mich aber immer wieder voller Vorfreude zu den Hallen hintrieb und mich erst elf Stunden später gehen ließ, war die Gelegenheit, zu lernen. Durch immer wieder neue Fehler, aber vor allem durch das Beispiel der anderen. Und so ging ich nach meinen Partien zu anderen Brettern. Als Freund des Endspiels habe ich mir entsprechende Partien mit wenigen Figuren ausgesucht, die ich verfolgen, bei denen ich lernen konnte. Am vorderen Ende der Schwarzwaldhalle, wo sich die Großmeister stapelten, bildeten sich dann Trauben um ausgewählte Bretter – eine Herausforderung für die Spieler. Matthias Blübaum, Marc`Andria Maurizzi mitten unter den Kiebitzen. Gata Kamsky mit der doppelten Beckerfaust, als er sich aus verlorener Stellung in ein Remis retten konnte.

Analyse im Foyer



Zu jeder Zeit wurden zahlreiche Spiele auf die große Leinwand übertragen, das war gut gelöst. Groß aufgefallen ist neben dem frisch gekürten jungen türkischen GM Yagiz Kaan Erdogmus ein anderer Zwölfjähriger, Henry Edward Tudor -, nein, er ist Rumäne. Wer die Illustration einer Festung sehen will, spiele seine Partie gegen Arjun Erigaisi nach, 136 Züge (https://www.chessbase.in/news/GRENKE-Chess-Open-2024-Round-1-3-report). Der Junge spielt erst seit zwei Jahren Schach und will mal Weltmeister werden. Es ist ihm zuzutrauen.
Ja, und dann habe ich ein paar Autogramme erhaschen können. In ein schön illustriertes Endspielbuch von Awerbach durften sich Vincent Keymer („Key“), Arjun Erigaisi („Best Wishes!“), Ding Liren (chinesische Zeichen) und auch Hans Niemann (Krakel) eintragen, der mich auf das Buch ansprach („About Endgames. – Good!“). Ich hoffe sehr, dass der junge Mann von der Schachwelt und besonders den Granden wieder voll akzeptiert wird und seine Chancen erhält, seine Klasse unter Beweis zu stellen. Beim nächsten Grenke Classic ist er sicher dabei. Was Magnus Carlsen hoffentlich nicht von einer Teilnahme abhalten wird.
Auch von meiner Seite Glückwünsche an die Teilnehmer unseres Vereins, für die das Grenke trotz der großen Anstrengung hoffentlich ein ebenso schönes und erfüllendes Erlebnis war.

Mathias

Über den Autor: Mathias Guthmann schreibt unter anderem für kulinarische Zeitschriften und den Schachsport. Seine Essays und Kurzgeschichten haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert. In der freien Wirtschaft berät der Autor eine Firma zu PR-Strategien.

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