Agon(ie) in Moskau

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Zur Zeit läuft in Moskau das wohl best besetzte Turnier seit langer Zeit. In diesem Kandidaten-Match wird der Gegner ermittelt, der dann im November gegen Weltmeister Carlsen spielen darf.

Caruana, Karjakin, Anand, Giri, Topalov, Nakamura, Aronian und Svidler, das sind die wohlklingenden Namen die sich zu diesem Schach-Mega-Event in der russischen Hauptstadt eingefunden haben. Täglich sitze ich gebannt vor meinem Laptop um die teilweise wirklich hochklassigen und sehr spannenden Begnungen anzuschauen.

FIDE und Agon

Genau da aber liegt das Problem. Die FIDE hat die Eventfirma Agon mit der Übertragung der Partien beauftragt,  die Verantwortlichen des Unternehmens verhalten sich wie archaische Feudal-Fürsten vor 400 Jahren. Die Weitergabe der Züge ist strengstens untersagt, will man die Partien Online verfolgen, so muss man sich entweder per E-Mail oder mit einem Facebook Account einloggen, gleichzeitig verpflichtet man sich damit über das Geschehen an den Brettern Stillschweigen zu bewahren. Übrigens gilt das gleiche (in verschärfter Form) für die Besucher, die vor Ort die Partien verfolgen. Schachzüge sind ja im Prinzip nichts anderes als Sport-Ergebnisse, es gibt bisher de facto und de jure keine Handhabe für das Vorgehen von Agon, trotzdem werden Zuwiderhandlungen mit drakonischen Strafen belegt, man spricht in Moskau von bis zu 10 Jahren Haft.

Übertragung ins Internet

Soweit die gute Nachricht, nun die schlechte: Die Übertragung ist hundsmiserabel. Zwischendrin wird immer wieder martialische Werbung eingespielt, mit einem wagnerianischen Klangteppich. Diese Werbeblöcke gehen manchmal gut und gerne über 10 Minuten lang, in der Zeit wird man dann unter anderem mit den Vorzügen der neuesten fahrbaren Untersätze einer in Bayern ansässigen Automobil-Firma belästigt. Alles, was heute zu Tage als ganz normaler Standard gilt, wie zum Beispiel die Direktanalyse per Engine fehlt bei Agon. Man darf froh sein, dass es einen Daniel King gibt, der dann nach den Partien wie immer sehr gute Video-Analysen liefert, wie gesagt, erst nach den Partien. Natürlich darf die Schachwelt sich freuen, wenn neue Sponsoren gefunden werden, ich höre aber eine Nachtigall trapsen, wenn der Name Agon erwähnt wird, man hat den wohl berechtigten Eindruck, dass hier versucht wird eine Monopol-Stellung aufzubauen, kein schöner Zug.

Skandale und Skandälchen

Kein ordentliches Schachturnier ohne den entsprechenden Skandal. Den gab es diesmal in der Partie Aronjan (Armenien) gegen Nakamura (USA). Was war passiert? Ein „Berührt-Geführt-Fehler“, Nakamura schappte sich den König, hielt in kurz in der Hand, um dann wohl festzustellen, dass der Königszug sofortigen Partieverlust bedeuten würde, deshalb hauchte er noch ein verzweifeltes „Ajust“ in den mit Spannung aufgeladenen Schach-Äther, aber zu spät. Der Schiedsrichter hatte zu recht kein Erbarmen. Angeblich soll es noch zu gegenseitigen Beschimpfungen gekommen sein, wandelt da jemand auf Bobby Fischers Spuren?

Schachliches

Glanz und Elend liegen nah beisammen in Moskau. Altmeister Anand spielt einen Tag auf allerhöchstem Niveau, am nächsten Tag lässt er sich dann von Badboy Nakamura nach allen Regeln der Kunst zerlegen. In Führung liegt der Russe Krajakin, der sich am Ende wohl ein Duell mit Caruana (USA)  liefern wird, obwohl ich an dieser Stelle den Tiger von Madras noch nicht ganz abschreiben will, an der Spitze geht es eng genug zu. Heute ist Ruhetag, Ostersonntag und Ostermontag wird sich das Turnier dann entscheiden.

hier geht es zur verachtungswürdigen website des Veranstalters…

Mathias

Über den Autor: Mathias Guthmann schreibt unter anderem für kulinarische Zeitschriften und den Schachsport. Seine Essays und Kurzgeschichten haben eine hohe Reichweite und werden in verschiedensten Fachmagazinen, auch international, publiziert. In der freien Wirtschaft berät der Autor eine Firma zu PR-Strategien.

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