von Mathias Guthmann
Auf Wunsch des Gegners verschieben wir die Auswärtsbegegnung gegen Untergrombach 2 um eine Woche.
Zum offiziellen Termin findet ein Ukraine Benefiz-Turnier statt.
Die Ausgangslage ist eindeutig:
Für uns geht’s um die goldene Ananas, für den Gegner um den Aufstieg in die Landesliga!
Dementsprechend stellt U-Bach auf.
An Brett 1 hat es Andrej Sokerin mit dem außerordentlich starken Markus Krieger zu tun. Mit 2132 DWZ ein echtes Schwergewicht. Da ist ein dickes Brett zu bohren!
Schnell kommt unser Mann unter Druck, ein Läufer fristet ein Schattendasein, der Gegner postiert einen unangenehmen Springer im feindlichen Lager.
Irgendwann wächst kein Kraut mehr gegen die überlegene Stellage und Sokerin gibt auf.
Nach der Partie wird noch über ein Qualitätsopfer spekuliert, ist aber Schall und Rauch.
Jürgen Bräutigam kommt gegen Michael Noll an 7 unter die Räder, anders kann ich es leider nicht formulieren.
Bereits nach kurzer Zeit verreckt der König elendiglich im offenen Gelände.
Ein klassischer Fall von „Lehrgeld zahlen“. Schwamm drüber Jürgen. Irgendwie runterspülen, Bier oder so.
An 5 hadert Manfred Lachnit von Anfang an mit seiner Partie.
À tempo kontert sein Gegner fast jeden Zug. Das ist enervierend. Nach kurzer Zeit muss Lachnit das Handtuch werfen. Kann passieren.
Sehr schön die Partie von Moritz Kühner gegen Ralf Toth an Brett 6.
Ausgezeichnete Übersicht.
Ordentlich Druck im Kessel, trotzdem wird das Ding Remis.
Vielleicht war für unseren Mann mehr drin (Bauer auf e4 ist der Dosenöffner). Gegen einen starken +1700er aber völlig in Ordnung!
Mischa spielt an 3 gegen Kay Hayen ein geiles Teil. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Gegner endlich die weiße Fahne hisst.
Aber oh weh, oh weh, Schach ist ja so gemein. Ganz tief im kühlen Keller der Kombinationen entkorkt Hayen auf einmal ein angestaubtes Fläschchen Remis, verdammt nochmal.
Auch wenn es sich vielleicht wie eine Niederlage anfühlt lieber Mischa, danke für die schöne Partie!
Vorbereitung ist alles. Deswegen setze ich mich zuhause ans Brett und pauke Varianten.
Marc Toth serviert mir dann aber eine, die ich mir nur kurz angeschaut habe, mea culpa.
Einen vorteilhaften Bauernvorstoß auf der a-Linie unterlasse ich.
Deswegen ist danach nicht mehr viel drin.
Ich spucke einen Bauern, um irgendwie die Position zu halten. Plötzlich, so will es das Schicksal, gibt es eine Stellungswiederholung. Remis.
Marcus Krug spielt an 2 gegen Andre Hayen. Dem jungen Talent aus Untergrombach gelingt eine Woche zuvor beim Ukraine-Simultan mit GM Yuri Solodovnichenko ein Geniestreich, eine faustdicke Überraschung.
Er trotzt dem ukrainischen Großmeister den einzigen Sieg ab!
Gegen Krug soll es nicht reichen. Von Anfang an übt unser Mann enormen Druck aus und steckt schließlich einen überzeugenden Sieg in die Tasche.
Photographs & Memories
Heute wird Marcus von den goldenen Flügeln der Erinnerung getragen.
Er ist gebürtiger Untergrombacher und hat dort seine ersten Erfolge als aufstrebender Schachspieler gefeiert.
Bei einem kleinen Spaziergang plaudern wir über alte Zeiten.
Es gibt einen Bolzplatz, wo er sich früher mit anderen Jugendlichen beim Ballsport vergnügt hat, langsam schlendern wir dort entlang.
An diesem Morgen bevölkert eine kleine Storchenschar das Gelände. Die schönen Vögel fressen die Würmer und Insekten, die sich in der Morgenstunde zuhauf im feuchten Gras tummeln. Ein reichhaltiges Frühstück für das langbeinige Federvieh.
Wir lungern an der Bundschuhhalle in der Joß-Fritz Straße herum, wo gleich der Mannschaftskampf beginnen soll.
Der Namensgeber der Straße – Joß Fritz – ist ein hiesiger Bauernführer der um das Jahr 1501 als Initiator der Bundschuh-Bewegung in Erscheinung tritt. Im Gegensatz zu einigen anderen Vertretern dieser Gruppierung gelingt ihm damals die Flucht. Schnell zettelt er noch eine Verschwörung am Oberrhein an, bis sich seine Spur gegen 1525 in der Schweiz verliert.
Die Bundschuhhalle ist ein typischer Bau aus den 80er Jahren. Früher hieß das Gebäude schlicht „Mehrzweckhalle“.
Solche architektonischen Bausünden findet man in fast jedem Schtetl.
Seinerzeit wurden diese hässlichen, meist seelenlosen Monsterbauten irgendwo in die städtische Landschaft gepflanzt. Klarer Fall von Augenkrebs.
Trotzdem war das Zeugs damals State of Art, ist doch Wahnsinn.
Viele dieser ehemals belebten Sport- und Veranstaltungsstätten verwandelten sich im Laufe der Zeit zu maroden Zivilisationsruinen, efeuumrankt, verwunschen, einsam, vergessen, sogenannte Lost Places.
H.G. Wells lässt grüßen.
Die Jugend amüsiert sich woanders.
Ein Fenstersturz
Immerhin, eine nagelneue Lüftungsanlage scheint darauf hinzudeuten, dass die Bundschuhhalle auch heute noch etwas zu bieten hat.
Unser sympathischer Reiseführer unterbricht die kleine Wanderung und deutet auf ein Fenster in luftiger Höhe.
„Von der Brüstung dort oben lehnte sich einst der bekannte deutsche IM Rolf Schlindwein zu weit hinaus, verlor den Halt und stürzte herab. Wie durch ein Wunder blieb er bei dem beachtlichen Sturz unverletzt.
Erstaunt beobachteten die erschrockenen Zuschauer damals, wie Schlindwein – auf dem Boden liegend – sehr laut lachte, als sei er eben nur über seine offenen Schnürsenkel gestolpert.“
Der Mann stand eindeutig unter Schock. Adrenalin spielte ihm Theater vor.
Mindestens einen Schutzengel braucht der Mensch!
Untergrombach 2 steigt auf
Das ist der vorletzte Spieltag der Saison.
Wir gratulieren, nicht ganz ohne Eigennutz, den Untergrombachern zum Aufstieg. Ihr habt es euch verdient.
Danke auch an unsere Mannschaft. Wir haben uns gegen diesen Gegner gut geschlagen! Ein wenig mehr Glück und wer weiß…
Endstand: uBu 2,5 Untergrombach 2 5.5
Schöner Artikel, danke!
LG aus Untergrombach
Kein Thema, hätte ein klein wenig anders laufen können. C’est la vie.
Erst jetzt entdeckt, wahrhaft ein Kleinod in der sonst oft so tristen Berichterstattung. Chapeau! PS: Die Geschichte mit Rolf erzähle ich immer unseren Kids im Jugendtraining, wenn sie mal wieder zu weit am offenen Fenster balancieren…
Lieber Ralf,
bitte entschuldigen Sie die späte Freischaltung,
Beste Grüße,
Mathias Guthmann